Melancholia

Klagt mich an oder kettet mich fest.
Ich hab‘ eure Gesetze gebrochen.
Ich trinke Kirsch, das Weihwasser nicht.
Ich habe der Vernunft widersprochen.

Ich hab Euer Paradies geplündert.
Ich stahl euch das Goldene Kalb,
geschlachtet, verspeist, ausgeschieden –
doch ihr habt dafür nicht bezahlt.

Ich tanze vergessen und nackt im Schnee,
gehe rückwärts durch die schmalen Gassen.
Ich nähre den Wind mit meinem Zorn:
Euer Gott hat uns längst schon verlassen.

Ich bekenne, doch ich widerrufe nicht,
solang ich noch nach allem giere.
Ich verwüste die Wüste und weide sie ab,
denn ich halte die Wolken für Tiere.

Melancholia ist meine Braut,
liegt des Nachts voller Inbrunst bei mir,
schmiegt sich an mich mit warmer Haut
wie ein großes wollüstiges Tier.

Ich brenne, verbrenne die Sterne mit Gier.
Ich singe dazu traurige Lieder.
Ich färbe den Regenbogen blau,
so blau wie den wilden Flieder.

Sperrt mich ein oder foltert mich.
In mir ist noch Himmel genug.
Ich bin der Zellkern, doch die Zelle nicht,
weil Himmel und Wind mich forttrug.